Nach 85 Tagen in Argentinien läuft unser Visum langsam aber sicher ab. Da der Winter hier immer näher rückt, entscheiden wir uns in Richtung Wärme und Meer zu reisen. Am Sonntagmorgen, 7. Juni 2009 verlassen wir vor Sonnenaufgang das noch schlafende Salta und fahren mit dem Bus Richtung Chile. Noch einmal durchqueren wir die Puna, wie kürzlich mit unserem Gol, diesmal aber haben wir freie Sicht und geniessen die sandsturmlose Landschaft. Nach dem Grenzübertritt beim Paso dem Jama (4400m.ü.M) geht die Strasse zwischen hohen Vulkanen steil bergab, vor uns öffnet sich die Weite der Atacama Wüste und mittendrin leuchtet ein grüner Fleck: San Pedro de Atacama.
Auf den ersten Blick ist San Pedro (2400m.ü.M) ein totales Touristen-Kaff, praktisch jedes Haus ist ein Tourenveranstalter, Restaurant oder Internet-Cafe. Hotels gibt es von diversen luxuriösen 5-Sterne Resorts bis hin zu vielen günstigen Herbergen, dazu kommen noch unzählige Baustellen für die Unterkünfte der nächsten Saison. Für uns ist es klar, hier werden wir nicht alt.
Aber bald fängt uns auch der Charme dieser Oase ein. Jeden Tag scheint die Sonne an einem stahlblauen Himmel. Es wird bis 30 Grad warm und die Luft ist so trocken, dass sich unsere Haut trotz Pflege langsam in Pergament verwandelt. Ein staubiges Wild-West Ambiente durchzieht die ungeteerten Strassen. Nach Sonnenuntergang wird es dafür in sekundenschnelle bitterkalt und wir schlüpfen von unseren ärmellosen T-Shirts in die Thermo-Unterwäsche, langen Hosen, Pullis und Jacken. Im Restaurant wird der Ofen eingeheizt und im Innenhof ein offenes Feuer entfacht und Berge von Paletten verbrannt. Wer nicht direkt bei einem heissen Ofenrohr sitzt, friert sich trotzdem den A... ab, da die Türen aus Gastfreundschaft offen bleiben. Alle Lokale sind zusätzlich mit Kerzen ausgerüstet, da kein Tag ohne Stromausfall zu Ende geht und für mehrere Stunden Dunkelheit herrscht. Wer es sich leisten kann, besitzt einen eigenen Stromgenerator und wir haben unsere Taschen- und Stirnlampe jede Nacht griffbereit.
Die Umgebung von San Pedro bietet viel, insbesondere für uns Wüstenliebhaber. So buchen auch wir eine Tour und fahren weit in die Salzwüste, den Salar de Atacama hinaus und beobachten in der Laguna Chaxa die vielen Flamingos die in dieser öden Wildnis leben. Danach klettern wir mit unserem Kleinbus knapp 2000m in die Höhe und landen bei den Lagunas Miscanti und Miñiques. Umgeben von Vulkanen spiegeln sie das dunkle Blau des Himmels: ein Bild für Götter! Und erstaunlicherweise entdecken wir auch hier, trotz bissig kaltem Wind, unzählige Flamingos.
Nun wollen wir noch die höchstgelegenen Geysire der Welt sehen und nehmen sogar die Strapazen auf uns, mitten in der Nacht und bei tiefster Kälte aufzustehen. Und das alles, weil unser Ziel auf 4300m.ü.M liegt und die Geysire bei Sonnenaufgang am aktivsten sind. Jost opfert sich und braut um 3:30 Uhr einen Kaffee zur Stärkung der Moral. Pünktlich werden wir abgeholt, kurven aber eine Stunde später immer noch in San Pedro herum auf der Suche nach zwei nicht erschienenen Paaren. Die Stimmung unter uns müden Fahrgästen ist etwas gereizt, aber als wir endlich losfahren wird es ruhig und wir nicken ein. Trotzdem erreichen wir el Tatio rechtzeitig und werden von einer im Dämmerlicht liegenden, dampfenden Märchenlandschaft empfangen. Aus über 100 Löchern gurgelt, blubbert und pfupft das heisse Wasser. Völlig verzaubert spazieren wir durch diese mystische Welt. Unsere danach erstarrten und nahezu abgefrorenen Glieder versuchen wir in einem warmen, natürlichen Becken aufzutauen. Der selbstmörderische Kraftakt, sich in dieser Affenkälte bis auf die Badehose auszuziehen, hat sich gelohnt!
Auch in San Pedro können wir den Pferden nicht widerstehen und wagen uns das erste Mal an einen 2-tägigen Ausritt. Unser Guide Claudio führt uns durch hohe Sanddünen und enge Felslabyrinthe im Valle de la Muerte und Valle de la Luna. Dazwischen reiten wir hinaus in die weiten Ebenen der Atacama-Wüste. Der weiche Gang auf dem sandigen Untergrund gibt uns ein völlig neues Reitgefühl. Vor Sonnenuntergang schlagen wir unser Nachtlager bei einem leerstehenden Gehöft auf. Gut eingepackt, aber gemütlich, sitzen wir ums Lagerfeuer, erzählen uns Schauergeschichten, bestaunen den Sternenhimmel und geniessen wieder einmal die Wild-West Romantik. Für solche unbezahlbaren Momente nehmen wir neben der kalten Nacht auch gerne den harten Zeltboden in Kauf.
So blieben wir doch länger als geplant in San Pedro de Atacama. Die 10 Tage haben sich gelohnt, nun aber wollen wir definitiv weiter Richtung Wärme und Meer und sind im stolzen Besitz eines Bustickets nach Iquique.